Donnerstag, 2. Mai 2013

Familienzusammenführung oder: Ich als Touristenführer


Lange herbeigesehnt und dann doch schnell vorbei: Gerade waren für drei Wochen meine Eltern zu Besuch bei mir in Indonesien.
Erstmal gingen der Ankunft viele Wochen der Planung voraus, mit unzähligen E-Mails über alles mögliche, von Zeitplanung über Kleidung und Gastgeschenke bis zum Verhalten am Flughafen in Jakarta (Arrival Card nicht vergessen, Taxifahrer ablehnen etc.). Auch in meiner Gastfamilie war die Aufregung groß. Was essen sie? (Alles, nur nicht zu scharf), Wo schlafen sie? (In Pipits Zimmer, Mamah sagt auf keinen Fall im Hotel, natürlich ist das keine zu große Belastung), Wie kommen sie nach Bogor? (Hafiz nimmt sich frei um sie abzuholen)
Ich persönlich hatte ein wenig Bedenken. Wie würde es werden, sich plötzlich nach sieben Monaten wiederzusehen? Würde ich Heimweh bekommen? Würde es komisch sein, plötzlich zwei Familien zu haben? Würden sich meine beiden Familien verstehen? Aber dann stellten sich alle diese Bedenken als völlig unbegründet heraus. Irgendwie war es ganz normal, dass meine Eltern plötzlich in Indonesien waren.
Die erste Woche wollten wir zusammen in Bogor verbringen, weil meine Gasteltern und Pipit leider erst später von ihrer Reise nach Mekka zurückkamen. Am Dienstag nach Ostern kamen die Beiden also nachmittags in Jakarta an. Für den Mittwoch hatten Meidy und ich uns freigenommen, es stand die Bogor-Tour auf dem Plan, mit der Einführung „Wie fahre ich Angkot bzw. Bus? Was ist ein Kaki Lima? Wo kaufe ich in Bogor billige Kleidung? Was tragen indonesische Hausfrauen? usw.“ und dem Vormittag im Botanischen Garten (so ziemlich die einzige Attraktion Bogors, aber dafür macht er schon was her).
Meidy, Mama und ich im botanischen Garten
Blutender Baum im botanischen Garten

Donnerstag und Freitag musste ich arbeiten, also haben die Eltern ihre Abenteuer ohne mich mit Meidy und Hafiz erlebt, u. a. die Wanderung zum Krater von Mount Salak im strömenden Regen (Wasser bis zur Hüfte) und der Besuch der großen Moschee in Jakarta. Und natürlich wollten sie auch meine Arbeitsstelle besuchen und mich beim Unterrichten sehen.


Patschnass am Krater des Salak
Ein seltener Anblick: kein Smog in Jakarta; Blick von Monas (Monumen Nasional)
Auf diese Trommel (in der großen Moschee in JKT) hat schon Angela Merkel geschlagen!
Am Sonntag kamen dann endlich Mamah, Bapak und Pipit nach Hause und es stellte sich heraus, dass alle Sorgen unbegründet waren. Irgendwie stimmte die Chemie und wir waren uns alle einig: Es fühlt sich an als kennen wir uns alle schon ewig.
Im sundanesischen Restaurant; von vorne links im Uhrzeigersinn: Bapak, Papa, Ka Hafiz, Mamah, Ka Meidy, ich, Ka Pipit, Mama, Ka Nuni, Yuli
Vater versucht sich am Gongschmieden
Die folgende Woche hatte ich frei, und bis Mittwoch waren wir mit der Familie unterwegs. Besucht haben wir u.a. noch einen botanischen Garten in den Puncak- Bergen (20°C, ich habe gefroren, Mama und Papa fanden es warm), eine Gongfabrik, einen Kratersee und Teeplantagen bei Bandung, und den Markt in Bogor, inklusive Kochkurs mit Mamah.
Gongfabrik

Kawah Putih, ein Kratersee bei Bandung, mit Nuni und Bapak

Teeplantagen bei Bandung

Markt mit Mamah
Danach sind wir zu dritt mit dem Zug nach Yogyakarta (Zentraljava) gefahren, um das Pflicht-Touristenprogramm abzuarbeiten: Die Tempel Borobudur und Prambanan, Wahrzeichen Indonesiens, und Batik-Shoppen in einer der Batik-Hauptstädte Indonesiens. Mir kam wieder die Aufgabe zu, mit den Straßenhändlern und Becak-Fahrern (Fahrradrikschas) zu verhandeln, was mir Riesenspaß gemacht hat. Wenn man sich mal ans Feilschen gewöhnt hat, macht das fast süchtig.
Handgemalte Batik
Becak
Borobudur
Prambanan

Gamelan-Orchester im Sultanspalast in Yogya

Wir drei im Sultanspalast

Nach den drei Tagen Yogya musste ich wieder zurück zur Arbeit, Mama und Papa sind nach Bali weitergeflogen. Indonesienurlaub ohne Bali geht dann doch nicht. Das letzte Wochenende haben sie dann nochmal bei uns in Bogor verbracht, bevor sie Sonntagnacht von Jakarta aus zurückgeflogen sind.

Natürlich haben wir in der Zeit auch sehr viel verschiedenes Essen ausprobiert, alle meine Lieblingsspeisen: Bubur Ayam (Reisporridge mit Huhn, für mich ohne), Soto Ayam (auch ohne Ayam), Rendang, Gorengan, Martabak, Tempe in allen Variationen, und natürlich alle Obstsorten. Ich verspreche, nochmal eine Fotostrecke über Essen zu machen. Wir haben beim Kaki Lima gegessen, in typisch Sundanesischen Restaurants und auf Strohmatten auf der Straße. Das war auch für mich neu: Weil Yogyakarta eine Studentenstadt ist, gibt es dort viel Nasi Kucing, „Katzenreis“. Das ist eine Reisportion mit einem winzigen Löffel voll Beilage, für umgerechnet 20 Cent, weil Studenten ja sparen müssen. Bules sieht man an solchen Plätzen keine, normale Touristen würden sich vermutlich nicht trauen, auf der Straße zu essen. Da verpassen sie ganz schön viel.
Nasi Kucing

Manchmal war es witzig mit der Verständigung. Weil Mamah ja kein Englisch kann, musste ich immer die Unterhaltungen zwischen Mama und Mamah übersetzen. Das konnte auch mal ziemlich lange dauern. Sonstige Unterhaltungen liefen in einem Gemisch aus Englisch, Deutsch und Indonesisch ab, sodass man nie ganz den Durchblick hatte, wer gerade dem Gespräch folgen konnte und wer nicht. Das führte besonders bei Planungen oft für Verwirrungen bei Mama und Papa, weil ich vergessen hatte, den aktuellen Stand zu übersetzen. Und dann kam natürlich Verwirrung bei den Namen auf: „Mama! Nein, ich meine die andere!“. Bei Papa und Bapak ging das ein bisschen besser.

Insgesamt waren meine Eltern der Meinung, es habe sich weniger wie eine Urlaubsreise angefühlt und mehr wie ein großes Familientreffen. Meiner indonesischen Familie und mir ging es da nicht anders. Irgendwie war es ganz normal, dass sie allen da waren. Und jetzt hoffen wir natürlich, dass das nächste Familientreffen in Deutschland stattfindet. Jetzt, wo meine deutschen Eltern mein indonesisches Leben kennen gelernt haben, müssen meine indonesischen Eltern auch mein deutsches Leben kennenlernen. Hoffentlich nicht erst, wenn ich heirate.
Mamah hatte ein bisschen Angst, dass ich zu traurig bin, wenn meine Eltern wieder abfahren und dass ich dann auch direkt nach Hause will. Aber ich glaube, die anderen waren teilweise trauriger als ich. Schließlich weiß ich, dass wir uns schon in drei Monaten wiedersehen werden. Ich genieße jetzt die letzten Monate noch hier mit meiner indonesischen Familie.

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