Wahnsinn. Jetzt bin ich
doch tatsächlich schon seit sechs Monaten hier. Nächste Woche muss ich das Land
verlassen, weil man nach 180 Tagen ja ein ganz neues Visum braucht. Bevor ich
mich also für eine Woche nach Malaysia verabschiede, hier noch ein update über
die letzten Wochen.
Vorletztes Wochenende
hatten wir AFS- Midstay-Camp in Bandung. Das war vor allem deshalb schön, weil
wir nach einem halben Jahr auch zwei der drei Freiwilligen aus Malang endlich
mal wieder getroffen haben. Außerdem konnten wir uns über unsere bisherigen
Erfahrungen austauschen. Dabei haben wir festgestellt, dass wir sehr
unterschiedliche Highlights haben, aber im Prinzip die selben Probleme:
Kommunikation. Dabei geht es nicht so sehr um die Sprachkenntnisse (mit denen wir
allerdings auch alle eher weniger zufrieden sind), sondern mehr um die Art zu
kommunizieren. Ich habe es ja glaube ich schon mal angesprochen, wie in den
meisten asiatischen Ländern wird in Indonesien sehr indirekt kommuniziert. Das
Problem dabei ist, dass man sich nie ganz sicher sein kann, was das Gegenüber
genau meint. Man sagt nämlich so gut wie nie Nein. Also sind wir verunsichert,
wissen nicht, was gemeint ist, oder haben ein schlechtes Gefühl, weil wir immer
denken „Hm, vielleicht war das doch anders gemeint.“
Ob das Camp jetzt
inhaltlich so viel gebracht hat, kann ich nicht sagen. Es war nicht ganz so
informativ wie unsere Vorbereitungsseminare, aber ich glaube, ein bisschen
motiviert hat es schon. Aber auf jeden Fall hat es viel Spaß gemacht und war
viel zu kurz. Wir haben eine Angklung – Herstellung besichtigt, das sind
traditionelle Instrumente aus Bambus, und wir waren in den Factory – Outlets
shoppen, leider nur eine Stunde. Da muss ich nochmal hin, da gibt es Kleidung
für ein Zehntel des deutschen Preises, nur weil die Knopfleiste ein bisschen
verschoben ist oder so. Die ganzen großen internationalen Marken produzieren ja
hier in der Gegend und in Bandung.
Meine persönliche
Halbjahresbilanz ist gar nicht so einfach. Es ist immer noch so, dass ich Tage
habe, an denen ich mich hier wirklich zu Hause fühle, und Tage, an denen ich
das Gefühl habe, jetzt reichts.
Meine Familie ist immer
noch das Beste hier. Mit meinen Schwestern verstehe ich mich immer noch super.
Niki sehe ich jetzt allerdings nicht mehr, weil sie mit ihrer Familie nach
Sumatra gezogen ist und wahrscheinlich erst zu Idul Fitri wieder nach Hause
kommt. Da bin ich ja dann leider schon weg. Aber mit Mamah kann ich mich jetzt
schon ein bisschen besser unterhalten. Ich bin immer noch überzeugt, dass ich
die beste Familie bekommen habe. Mit ihrer Offenheit und Freundlichkeit haben
sie mir das erste halbe Jahr deutlich erleichtert. Natürlich hilft es, dass
außer Mamah alle entweder Deutsch oder Englisch können, aber trotzdem so viel
wie möglich Indonesisch mit mir sprechen. Außerdem ist es hilfreich, dass alle
schon im Ausland waren und mich besser verstehen können, wenn mich manche Dinge
komplett in den Wahnsinn treiben, und mir dann auch Sachen erklären können. Und
dass ich zwei Lehrerinnen in der Familie habe, die mir Tipps geben können,
damit mich die Schüler nicht so fertig machen.
Mit meinen
Sprachkenntnissen bin ich noch nicht so richtig zufrieden. Uns haben alle
gesagt, nach drei Monaten könnt ihr Indonesisch. Das würde ich von mir
nicht behaupten. Ja, ich verstehe schon das Meiste, im
Teachers’ Meeting oder wenn ich mich mit meiner Familie unterhalte. Aber
sprechen kann ich noch nicht so gut. Vor allem mein Vokabular ist noch nicht so
groß. Das liegt aber auf jeden Fall an meiner eigenen Faulheit. Ich gelobe
Besserung, nach sechs Monaten habe ich es jetzt auch endlich geschafft, mir ein
Taschenwörterbuch zu kaufen. Jetzt kann ich zwischendurch mehr nachschlagen,
und dann muss ich mir die Wörter nur noch merken können... Das große Problem
ist, dass ich nicht so viel Gelegenheit habe zu sprechen. Im IGTC dürfen die
Schüler ja während der Unterrichtszeit überhaupt kein Indonesisch sprechen,
sonst müssen sie zahlen. Also spreche auch ich nur Englisch, und so bleibt mir
nur zuhause.
Allerdings ist mein
Indonesisch nicht so schlecht, wie hier manche denken. Als Bule bist du sowieso
automatisch Native English Speaker, und alle wollen Englisch mit dir reden. Und
neulich, als ich mit meinen Kolleginnen unterwegs war, haben die mir nicht einmal
zugetraut mir allein ein Wasser zu kaufen. Ich weiß nicht, ob sie wissen, dass
ich ihre ganzen Unterhaltungen verstehe...
Und dann ist da natürlich
das IGTC, der Hauptgrund für meine gespaltene Meinung zu dem letzten halben
Jahr. Einerseits weiß ich, dass es an sich ein gutes Projekt wäre. Andererseits
sehe ich so viele Dinge, die besser laufen könnten, sowohl im Englischunterricht
als auch in der ganzen Einrichtung. Zum Beispiel werden ja alle
Unterrichtsstunden auf Englisch gehalten. Leider ist das Englischniveau sowohl
der Schüler als auch mancher Lehrer (inklusive Englischlehrer) nicht so richtig
hoch. Das heißt, ich kann gegen lange antrainierte Fehler („I want be a success
person“) ewig ankämpfen, aber es kann gar nicht besser werden, wenn beispielsweise
unsere Schulleiterin genauso spricht und manchmal sogar verschlimmbessert (also
richtige Sätze falsch korrigiert). Und ich weiß nicht, wie viel von den Themen
bei den Schülern hängen bleibt, wenn sie teilweise die Unterrichtsmaterialien
nicht verstehen.
Ich habe hier auch schon
Methoden gesehen, da stehen einem die Haare zu Berge. Einmal gab es einen
Diebstahlfall. Also wurden einfach mal alle Schüler bis nachts um zwölf ohne
Klimaanlage in einem Klassenzimmer eingesperrt, damit sich die schuldige Person
meldet. Und wie die Schüler immer von der Schulleiterin angeschrien werden ist
auch nicht schön. Die zittern teilweise richtig vor ihr.
Mit meinem eigenen
Unterricht bin ich auch nicht so richtig zufrieden. Ich weiß nicht, wie viel
bei der Klasse hängenbleibt, wenn manchmal einfach überhaupt keine Reaktion
kommt. Ich weiß nicht, ob ich sie überfordere oder ob sie nur keine Lust haben
oder ob mein Unterricht langweilig ist. Am liebsten unterrichte ich Grammatik,
das ist am einfachsten. Nicht, dass sie es dann anwenden würden, aber
vielleicht kommt das mit der Zeit.
Ich habe auch immer noch
nicht so richtig viel zu tun, nur zwei Stunden im normalen Stundenplan und ein
paar Additionals. Den Rest der Zeit weiß ich mich auch so zu beschäftigen, aber
ich habe eigentlich keine Arbeit, ich bin immer noch nicht sicher, ob ich dem
IGTC so viel nutze. Vor allem, weil man mich hier wohl auch eher als
Praktikantin ansieht, das heißt, Bu Susi betont immer wieder, dass ich hier ja
vor allem was lernen soll. Das will ich ja auch, aber eigentlich wollte ich ja
nicht nur für mich selbst etwas tun. Wenn ich in Deutschland ein FSJ mache,
dann mache ich das ja auch, damit ich anderen Menschen helfen kann. Deswegen
bin ich mir nicht ganz sicher, ob das IGTC wirklich ausgerechnet IJFDler
braucht. Und ich habe gestern erfahren, dass uns demnächst zwei große Sponsoren
wegfallen, sodass wir mehr Selfpayer – Klassen machen müssen. Da weiß ich dann
nicht, ob das Ganze noch ein richtiges soziales Projekt ist, wenn es sich nur
noch die leisten können, denen sowieso alle Möglichkeiten offenstehen.
Außerdem glaube ich, dass
ein Jahr Training zu wenig ist. Früher waren es zwei Jahre, aber dann wurde die
Zeit verkürzt, ich weiß nicht warum, vielleicht aus Kostengründen. Für den
Stoff reicht ein Jahr auch aus, aber für Englisch und solche Dinge wie selbständiges, strukturiertes und kritisches Denken braucht es mehr Zeit. Das
sind meiner Meinung nach eher die wichtigen Dinge, alles andere lernen sie bei
der Arbeit.
So, aber jetzt genug gemeckert.
Es ist auch nicht alles schlecht hier. Meine Additional Class macht immer Spaß,
vielleicht auch weil die Klasse mir sympathischer ist. Da bin ich auch freier
mit der Unterrichtsgestaltung, letztes Mal habe ich ihnen Lieder vorgespielt
und sie mussten die Songtexte ergänzen, und danach haben wir zusammen gesungen.
Meine zweite Lieblingsaktivität ist die Dancing Class. Zwar weiß ich nie, wer
kommt und wann, aber es kommt immer irgendjemand. Und weil wir jedes Mal von
Null anfangen, komme ich auch nie in Verlegenheit, ihnen kompliziertere Figuren
beibringen zu müssen, von denen ich wenn dann nur den Frauenschritt beherrsche.
Meine Ziele/Vorsätze für
das zweite Halbjahr:
-
Indonesisch
besser sprechen lernen
-
Mich nicht zu
sehr über meine Arbeit aufregen
-
Mehr Verantwortung
bekommen, vielleicht noch eine zweite Klasse
-
Kochen
lernen. Nasi Goreng kann ich schon und im frittieren bin ich auch nicht so
schlecht. J
So, jetzt geht es erstmal
in den Urlaub. Ach nein, auf die Botschaft. Ich bin ja wirklich nur für mein
Visum in Malaysia...
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