Freitag, 18. Januar 2013

IGTC - und dann?


Was macht ein IGTC-Absolvent nach seiner Graduation? Er bekommt einen Job. Und das sogar ziemlich sicher, bis jetzt haben alle IGTC-Absolventen einen Job  in der Textilindustrie gefunden, oft haben sie den sogar schon sicher, bevor sie die Schule verlassen, dank tatkräftiger Unterstützung durch Trainer und Direktoren des IGTC, die natürlich alle exzellente Beziehungen zur Branche haben.
Manchmal jedoch haben Helen, Vera und ich uns schon gefragt, ob ein Jahr in IGTC überhaupt ausreicht. Laut Helen und Vera, die ja quasi dasselbe Fach studieren, geht der Unterricht überhaupt nicht in die Tiefe, und die Englischkenntnisse sind auch nicht wirklich überragend. Aber letzte Woche haben wir PT. Asmara besucht, eine Sourcing-Agentur, die für Tom Tailor, Guess, Zalando, Mustang uvm. arbeitet. Dort arbeiten viele IGTC-Alumni, und die Schüler hatten Gelegenheit, sich mit ihnen auszutauschen. Dabei hat man ganz deutlich gemerkt, wie viel man nicht in der Schule lernt, sondern bei der Arbeit. Vor uns standen kompetente junge Menschen, die sehr gut Englisch konnten und nicht nur mehr wussten, sondern auch allgemein deutlich erwachsener wirkten. Das hat uns beruhigt. Wir können IGTC nur die Grundlagen vermitteln, der Rest ist praktische Erfahrung. Außerdem sollen die Schüler Zeitmanagement und den Umgang mit Stress lernen, weil der Job eines Merchandisers quasi nur aus Druck besteht. Deswegen bekommen unsere Schüler so viele Hausaufgaben, dass sie manchmal, nachdem sie bis abends um sechs Unterricht hatten, noch bis nachts um drei arbeiten (und dann um vier wieder aufstehen). Das soll ihr Durchhaltevermögen trainieren, aber leider ist dann morgens einfach kein normaler Unterricht möglich, weil alle nur schlafend in ihren Stühlen hängen.
Eine Sache, die uns sehr erstaunt hat und mal wieder einen gravierenden kulturellen Unterschied zeigt: Eine der Alumni hat von ihren Schwierigkeiten in Asmara erzählt: Als Merchandiser der Agentur muss sie manchmal dem Merchandiser der Fabrik Druck machen. Als sich aber herausstellt, dass besagter Merchandiser auch in IGTC war, und zwar ein paar Klassen über ihr. Wir würden jetzt fragen, wo das Problem ist, sie steht jetzt nun mal über ihm, aber hier ist diese Altershierarchie einfach so stark verankert, dass das für sie eine Schwierigkeit darstellt.
Und noch mehr Kultur: Neulich habe ich mit MMQ23 eine Evaluation meines Unterrichts gemacht, wie ich es von den guten Lehrern aus meiner Schulzeit kenne. Hier würde glaube ich niemand auf so eine Idee kommen. Mein Englischkollege hat mich doch tatsächlich gefragt: „Und was ist, wenn du eine negative Rückmeldung bekommst?“ Das ist ja der Sinn der Sache. Allerdings war ich dann doch ein bisschen angefressen von den Ergebnissen. Dass viele sagen, dass sie mich schlecht verstehen, hatte ich ja erwartet, oder dass sie dem Unterricht manchmal schlecht folgen können. Ich spreche nun mal ein schwierigeres Englisch mit einem ungewohnten Akzent. Aber dass mein Unterricht langweilig ist, ich empfindlich und oft unfreundlich bin und leicht wütend werde, fand ich dann doch etwas hart. Gott sei Dank gibt es Mr. Hans. Er hat mir bestätigt, dass das ein Kulturproblem ist. Indonesier werden nicht wütend, indonesische Lehrer zeigen nicht, dass sie sauer sind, wenn ihre Schüler keine Hausaufgaben machen. Und wie oft habe ich schon versucht, meinen Schülern klar zu machen, dass sie fragen sollen, weil ich sonst nicht weiß, ob sie mich verstehen. Aber das geht in indonesischen Schulen überhaupt nicht. Da werde ich halt schon manchmal genervt, wenn ich nie eine Reaktion von meinen Schülern bekomme. Woran mich Mr. Hans auch wieder erinnert hat, ist das Hierarchieproblem. Er meinte, Mr. Till könnte denen den größten Mist erzählen, sie würden ihn immer noch besser bewerten und ihm mehr glauben als mir, einfach, weil er um die 80 ist und ein Mann.
Einerseits muss ich mich mit der Situation abfinden, andererseits verstehe ich jetzt auch besser, warum die in IGTC ausgerechnet mich für den Englischunterricht brauchen. Ich bin hier, damit die Schüler sich an den Umgang mit Europäern gewöhnen und lernen, mit den verschiedenen Kommunikationsstilen zurechtzukommen. Bisher dachte ich, das würde mehr Sinn außerhalb des Klassenzimmers machen und für den Englischunterricht würde ein gut qualifizierter Englischlehrer mehr Sinn machen. Aber jetzt glaube ich, dass es Sinn macht, eine junge Freiwillige in den Englischunterricht zu schicken, um genau dieses Aufeinanderprallen der Kulturen zu provozieren. Die Schüler sollen einerseits lernen, mit dieser Hierarchiesituation klarzukommen, dass sie plötzlich jemanden respektieren müssen, der jünger ist, und andererseits auf europäische Konfliktstile vorbereitet werden. Später wird ihr Kunde von Tom Tailor oder S.Oliver oder so sie auch nicht totlächeln, wenn er nicht zufrieden ist, sondern ganz klar sagen, was Sache ist.
Und dass ich dabei jede Menge lerne, ist ja sowieso klar. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen