Was macht ein IGTC-Absolvent nach seiner Graduation? Er bekommt einen Job. Und das
sogar ziemlich sicher, bis jetzt haben alle IGTC-Absolventen einen Job in der Textilindustrie gefunden, oft haben
sie den sogar schon sicher, bevor sie die Schule verlassen, dank tatkräftiger
Unterstützung durch Trainer und Direktoren des IGTC, die natürlich alle
exzellente Beziehungen zur Branche haben.
Manchmal jedoch haben
Helen, Vera und ich uns schon gefragt, ob ein Jahr in IGTC überhaupt ausreicht.
Laut Helen und Vera, die ja quasi dasselbe Fach studieren, geht der Unterricht
überhaupt nicht in die Tiefe, und die Englischkenntnisse sind auch nicht
wirklich überragend. Aber letzte Woche haben wir PT. Asmara besucht, eine
Sourcing-Agentur, die für Tom Tailor, Guess, Zalando, Mustang uvm. arbeitet.
Dort arbeiten viele IGTC-Alumni, und die Schüler hatten Gelegenheit, sich mit
ihnen auszutauschen. Dabei hat man ganz deutlich gemerkt, wie viel man nicht in
der Schule lernt, sondern bei der Arbeit. Vor uns standen kompetente junge
Menschen, die sehr gut Englisch konnten und nicht nur mehr wussten, sondern
auch allgemein deutlich erwachsener wirkten. Das hat uns beruhigt. Wir können
IGTC nur die Grundlagen vermitteln, der Rest ist praktische Erfahrung. Außerdem
sollen die Schüler Zeitmanagement und den Umgang mit Stress lernen, weil der
Job eines Merchandisers quasi nur aus Druck besteht. Deswegen bekommen unsere
Schüler so viele Hausaufgaben, dass sie manchmal, nachdem sie bis abends um
sechs Unterricht hatten, noch bis nachts um drei arbeiten (und dann um vier
wieder aufstehen). Das soll ihr Durchhaltevermögen trainieren, aber leider ist
dann morgens einfach kein normaler Unterricht möglich, weil alle nur schlafend
in ihren Stühlen hängen.
Eine Sache, die uns sehr
erstaunt hat und mal wieder einen gravierenden kulturellen Unterschied zeigt:
Eine der Alumni hat von ihren Schwierigkeiten in Asmara erzählt: Als
Merchandiser der Agentur muss sie manchmal dem Merchandiser der Fabrik Druck
machen. Als sich aber herausstellt, dass besagter Merchandiser auch in IGTC war,
und zwar ein paar Klassen über ihr. Wir würden jetzt fragen, wo das Problem
ist, sie steht jetzt nun mal über ihm, aber hier ist diese Altershierarchie
einfach so stark verankert, dass das für sie eine Schwierigkeit darstellt.
Und noch mehr Kultur:
Neulich habe ich mit MMQ23 eine Evaluation meines Unterrichts gemacht, wie ich
es von den guten Lehrern aus meiner Schulzeit kenne. Hier würde glaube ich
niemand auf so eine Idee kommen. Mein Englischkollege hat mich doch tatsächlich
gefragt: „Und was ist, wenn du eine negative Rückmeldung bekommst?“ Das ist ja
der Sinn der Sache. Allerdings war ich dann doch ein bisschen angefressen von
den Ergebnissen. Dass viele sagen, dass sie mich schlecht verstehen, hatte ich
ja erwartet, oder dass sie dem Unterricht manchmal schlecht folgen können. Ich
spreche nun mal ein schwierigeres Englisch mit einem ungewohnten Akzent. Aber
dass mein Unterricht langweilig ist, ich empfindlich und oft unfreundlich bin
und leicht wütend werde, fand ich dann doch etwas hart. Gott sei Dank gibt es
Mr. Hans. Er hat mir bestätigt, dass das ein Kulturproblem ist. Indonesier
werden nicht wütend, indonesische Lehrer zeigen nicht, dass sie sauer sind,
wenn ihre Schüler keine Hausaufgaben machen. Und wie oft habe ich schon versucht,
meinen Schülern klar zu machen, dass sie fragen sollen, weil ich sonst nicht
weiß, ob sie mich verstehen. Aber das geht in indonesischen Schulen überhaupt
nicht. Da werde ich halt schon manchmal genervt, wenn ich nie eine Reaktion von
meinen Schülern bekomme. Woran mich Mr. Hans auch wieder erinnert hat, ist das
Hierarchieproblem. Er meinte, Mr. Till könnte denen den größten Mist erzählen,
sie würden ihn immer noch besser bewerten und ihm mehr glauben als mir,
einfach, weil er um die 80 ist und ein Mann.
Einerseits muss ich mich
mit der Situation abfinden, andererseits verstehe ich jetzt auch besser, warum
die in IGTC ausgerechnet mich für den Englischunterricht brauchen. Ich bin
hier, damit die Schüler sich an den Umgang mit Europäern gewöhnen und lernen,
mit den verschiedenen Kommunikationsstilen zurechtzukommen. Bisher dachte ich,
das würde mehr Sinn außerhalb des Klassenzimmers machen und für den
Englischunterricht würde ein gut qualifizierter Englischlehrer mehr Sinn
machen. Aber jetzt glaube ich, dass es Sinn macht, eine junge Freiwillige in
den Englischunterricht zu schicken, um genau dieses Aufeinanderprallen der
Kulturen zu provozieren. Die Schüler sollen einerseits lernen, mit dieser
Hierarchiesituation klarzukommen, dass sie plötzlich jemanden respektieren
müssen, der jünger ist, und andererseits auf europäische Konfliktstile
vorbereitet werden. Später wird ihr Kunde von Tom Tailor oder S.Oliver oder so
sie auch nicht totlächeln, wenn er nicht zufrieden ist, sondern ganz klar
sagen, was Sache ist.
Und dass ich dabei jede
Menge lerne, ist ja sowieso klar.