Montag, 3. Dezember 2012

Die Kulturschockkurve

Auf dem Vorbereitungsseminar haben wir so ein wunderbares Modell kennen gelernt: die Kulturschockkurve. Man kommt in ein fremdes Land und ist erstmal extrem euphorisch, weil alles so anders ist. Das ist der Hochpunkt der Kurve. Dann geht es abwärts, so ungefähr im zweiten Monat, der Kulturschock schlägt über dir zusammen. Aber nach einer Zeit, meist so im dritten Monat, pendelt es sich auf einem angenehmen Niveau ein. Man kann an zu Hause denken, ohne einen Weinkrampf zu bekommen, sieht die schlechten und die guten Seiten am neuen Leben.

Dieses Modell trifft so exakt auf mich zu, es ist fast schon gruselig. Der letzte Monat war schlimm, ich habe so ziemlich alles an Deutschland vermisst. Aber am Donnerstag hatte ich eine Art Schlüsselerlebnis. Eigentlich ist überhaupt nichts besonderes passiert, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dieser Tag ist perfekt.

Erst letzte Woche habe ich mich ja ziemlich über meine Arbeit beschwert. Den Post hatte ich schon länger geschrieben, aber noch nicht veröffentlicht. Witzigerweise hat sich am selben Tag noch einiges gebessert. Ich habe jetzt die besten Arbeitszeiten, die man haben kann. Ab sofort arbeite ich Montags, Mittwochs und Freitags normal, aber Dienstags und Donnerstags, wenn ich Additionals habe, muss ich erst um ein Uhr nachmittags kommen. Das ist perfekt, dann kann ich morgens joggen gehen, Mamah in der Küche helfen und andere wichtige Dinge erledigen und habe trotzdem abends bzw. nachmittags mehr Energie und Motivation für meinen Unterricht. Es macht ja auch Sinn, dass ich die Zeit, in der ich sowieso im Büro nichts zu tun habe, lieber zu Hause verbringe.
Wenn ich noch nicht von einem ganzen Tag geschlaucht bin, habe ich auch mehr Verständnis für meine Schüler: Wenn ich sowieso schon müde bin und dann in noch müdere Gesichter blicken muss, gibt das eine Art Abwärtsspirale der Motivation. Aber wenn ich motiviert bin, kann ich auch einen Großteil der Schüler motivieren. Und ich kann mich über die kleinen Fortschritte freuen, zum Beispiel wenn eine eher passive Schülerin sich plötzlich am Unterricht beteiligt oder wenn jemand, der eigentlich nicht gut ist in Englisch und fast nichts versteht, die Uhrzeiten perfekt beherrscht.

Mein Indonesisch wird so langsam auch besser. Smalltalk klappt schon ganz gut, aber die Reden bei der Graduation (schon wieder!) verstehe ich noch nicht. Aber ich habe es geschafft, mir mein Guthaben für das mobile Internet selbst zu besorgen. Allerdings musste ich dafür zweimal in der Mittagshitze zum Laden laufen, als ich eh schon spät dran war für die Arbeit...

Und dann natürlich, als ich heimgekommen bin und sowieso schon der Meinung war, einen perfekten Tag erlebt zu haben, lag ein Paket auf meinem Bett! Die Weihnachtsverpflegung! Mit wunderschönen Springerle und leckeren Zimtsternen (Mamah war begeistert von euren Backkünsten). Die Springerle sind perfekt zum Verschenken, aber ein paar will ich natürlich behalten. Das Marzipan habe ich wahrscheinlich auch für mich allein, ich glaube das mag hier niemand. Vielleicht Helen und Vera, alleine kann ich das nämlich nicht essen. Wenn man eine Packung aufmacht und dann nicht sofort alles aufisst, sind nach zwei Minuten die Ameisen dran.

Weihnachten ist hier so eine Sache. Inzwischen ist die Mall schon weihnachtlich dekoriert (der übliche Kitsch, wie bei uns auch) und dort wird man auch mit der normalen furchtbaren Weihnachtsmusik bedudelt. Am skurrilsten sind die weihnachtlich dekorierten Kopftuchstände. Aber sobald man rauskommt in die Hitze, ist sämtliche Weihnachtsstimmung verflogen. Irgendwie vermisse ich es aber im Moment gar nicht. Vor ein paar Wochen war ich noch ganz wild auf jedes Bisschen Weihnachten, aber je näher es rückt, desto weniger weihnachtlich fühle ich mich. Ich kann sogar ohne den Schnee leben. Natürlich nichts gegen meinen wunderbaren Adventskalender von meiner wunderbaren Familie. Es ist auch hier jeden Tag aufregend, die Säckchen aufzumachen.
Den Weihnachtsmarkt von Die Brücke am Samstag in Jakarta habe ich leider verpasst, aber nächste woche nimmt mich Pipit mit zur Weihnachtsfeier in der deutschen Schule. Vielleicht wird mir dann etwas weihnachtlicher zu Mute.

Euch allen zu Hause wünsche ich eine wunderschöne Adventszeit. Genießt den Schnee!

3 Kommentare:

  1. Wenn der Schnee nur nicht so kalt wäre! Gibt´s ein Bild vom weihnachtlichen Kopftuchstand?

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  2. Und vielleicht sollte man mal erwähnen, dass die Springerle so kunstvoll sind, weil die Model-Sammlung durch ein ganz besonders schönes Exemplar ergänzt worden ist. Bei der Gelegenheit: Vielen Dank nochmal, liebe Rosa, für das vorausschauend organisierte Geburtstagsgeschenk.

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  3. Bitte gern geschehen :) War ja auch ein komplett uneigennütziges Geschenk... Ich freue mich schon auf das Backen nächstes Jahr

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